Lieber Scotti,
es ist so unfassbar, immer wieder, dieser Tod, und jetzt sogar du, im zarten Alter von 12! Du solltest doch eigentlich hier noch dein süßes Leben leben, in deinem Garten, bei deiner Mama Scusi, die dich vermißt und bei mir, die dich liebt.
Als wir uns im Dezember 2003 zum ersten Mal im Tierheim begegneten, hattest du dich ängstlich in einer Kiste versteckt. Als ich dich streichelte, schnurrtest du - zum ersten Mal in den 23 Tierheimtagen. Und Scusi ging immer wie ein Hai im Kreis um mich rum. Wir haben uns erkannt! Das war der Zauber, der jedem Anfang inne wohnt!
Du warst extrem scheu und ein ganz schöner Paniker. Ich mußte die ersten zwei Wochen auf allen Vieren durch die Wohnung kriechen, damit du Vertrauen gewinnen konntest.
Du warst ein ziemlich schwieriges Tier, aber gleichzeitig auch total süß und urig. Ein richtiges Urtier. Daß du am Anfang so "schnell" (also 14 Tage waren bei dir schnell!) Vertrauen zu mir fandest, ehrt mich sehr und ich werde es dir nie vergessen. Daß bei dir jeder Entwicklungsschritt immer viel Zeit brauchte, machte das Leben mit dir eigentlich erst richtig interessant. Und dann bist du so ein richtiger Knuddelbär geworden, der immer am Bauch gestreichelt werden wollte. In deiner Angst warst du nie aggressiv, sondern immer ein ganz sanfter Riese. Du warst einfach phantastisch, auf deine Art! Und ich habe dich immer unterstützt, damit du ruhiger und stabiler werden konntest.
Dein Leben hier war eine einzige Erfolgsgeschichte. Je mehr Angst du verlorst, um so entspannter und glücklicher warst du. Von Jahr zu Jahr fanden ständig Verbesserungen statt. Du warst eigentlich dieses Jahr auch noch mitten auf dem Weg. Manchmal sahst du mich im vergangenen Winter so bedeutsam an, als ob du mich neu und inniger entdeckst. In diesem Winter hattest du total aufgehört, dich im Kleiderschrank zu verkriechen und warst so selbstverständlich wie nie zuvor meistens auf der Couch.
Und dann wurde im April diese schlimme Infektion bei dir akut und keiner konnte dir helfen. Einfach so, mitten aus dem Glück heraus! Noch im März hätte ich nicht im Traum gedacht, daß ich dich im Mai enschläfern lassen und einäschern lassen muß. Ein unglaublicher Wahnsinn, wie der Tod über solch ein glückliches Leben so unerwartet herein brechen kann!
Und solch ein schizoides Erlebnis - diese Autofahrt zum Einschläfern: Auf dem Hinweg schriest Du dauernd - dann auf dem Rückweg diese irreale Stille. Ein Leben, gerade noch da gewesen, aber der jetzige Moment bereits genau so wie in 5, 10 oder 100 Jahren: tot für immer. Niemals kann ich den Tod begreifen! Vielleicht liegt es aber wirklich daran, daß es ihn gar nicht gibt. Daß das Erdenleben eigentlich der Traum ist und die Realität ist dort, wo Du jetzt bist.
Ich kann es hier aber gar nicht erklären, wie sehr du fehlst: Es ist deine Gestalt mit deinen typischen Bewegungen, dein ständiges Kopf an Kopf Springen, dein vieles Geschrei, denn du warst sehr gesprächig, dein genußvolles Liegen, deine Verfressenheit. Wie Recht du hattest! Denn zum Schluß konntest du kaum noch fressen. Überall fehlt einfach diese Beruhigung, dich Schwarzfleckchen irgendwo sitzen zu sehen.
Es war so wunderschön mit dir und es ist jetzt hier ein verlorenes Paradies ohne dich! Der Himmel ist über dir eingestürzt und hinterläßt eine leere Zauberwelt. Ein Teil von mir ist mit dir mit verschwunden! Eine Stelle meines Herzens ist verbrannt.
Deine Mama Scusi hat dich eine Woche lang sehr aufgeregt und intensiv gesucht. Und selbst jetzt sieht es oft so aus, als ob sie Ausschau hält, ob du vielleicht wieder durch das Tor durch kommst.
Auch nach langer Zeit jetzt, geht sie jedes Mal, wenn ich Deinen Namen nenne, ans Fenster und schaut raus. Sie ist schlau. Sie weiß, daß du nicht in der Wohnung bist, deshalb mußt du ja zwangsläufig draußen irgendwo sein.
Du fehlst mir unglaublich stark, weil du mein Schutzbefohlener warst. Die Jahre seitdem sind zu leer.
Erstellt von Elvira Maier